Erlebnisbericht: Für Christoph Hauser war das Tageszentrum rehapunkt ein Neuanfang. Er sagt: "Ich lebe, kann mich selbständig fortbewegen, kann WIEDER sprechen."
Mai 2020 - Neuanfang im Tageszentrum rehapunkt. «Ich wusste lediglich, dass es Therapien geben wird: Ergotherapie, Physiotherapie und Gruppentherapie.»
Es war ein sonniger Tag als ich im März für ein Vorstellungsgespräch vorbeikam. Etwas mulmig war es mir schon. Was? hier in einer Wohnung, mit durchschnittlich 8 Kollegen und Kolleginnen soll ich den ganzen Tag verbringen? Eine Herausforderung der speziellen Art!
Nach meinem Hirnschlag im September 2019, hat sich in mir so Einiges verändert. Ich hatte immer gerne viele Leute um mich herum, aber seither habe ich Mühe damit. Ja, es stresst mich. All das Hin und Her. Es kam mir vor wie ein Ameisenhaufen. Okay, ruhig Blut.
Frau Rossier erklärte mir alles im Detail. Sie kannte ich bereits aus der Ergo in Murten. Jemanden zu kennen und neu in einer anderen Position zu erfahren, kann von Vorteil sein und wie sich dann herausstellte, war es völlig in Ordnung.
2 Tage waren geplant, jeweils Montag und Donnerstag von 09.15 Uhr bis 16 Uhr. Die Reise von mir bis zum rehapunkt dauerte 90 Minuten. Bereits als ich ankam, war ich schon müde und erschöpft. Wie kommt das wohl raus? Gestartet wurde mit einer Vorstellungsrunde und die Abläufe wurden erklärt. Es war viel Information. Kochen war am Vormittag das Hauptthema. Zwischendurch kamen Leute von der Therapie oder wurden hierfür abgeholt. Es war ein Kommen und Gehen. Ich wurde nervös und gereizt. Auch ich wurde in die Physio geholt. Ich merkte relativ schnell, dass ich an meine Grenzen komme. Oder habe ich sie bereits überschritten?
Mittagessen. Mein Kopf war schwer. Wie soll ich mich erholen, Betten stehen zur Verfügung. Nein, in einen Raum, nein danke, eingeschlossen sein? Ich brauche Zeit für mich. Ich brauche Luft. Draussen schien die Sonne. Ich entschied mich für den Balkon und einen Stuhl. Eigentlich war es ideal. Eben genau das, was ich brauche. Dachte ich zumindest. Etwas Dösen und Kaffee trinken. In mir war es unruhig, ich war gestresst. Ich konnte nicht loslassen. Die Zeit verlief wie schon der ganze Tag - einfach zu schnell. Um 14.15 Uhr war für mich Ergotherapie angesagt und anschliessend Gruppentherapie bis 15.45 Uhr. Nun hiess es Feierabend und ab nach Hause. Ich war einfach nur erschöpft und ausgepumpt.
Zuhause angekommen, begann ich zu frieren. Dies war definitiv ein Zeichen, dass zu viel an diesem Tag auf mich zugekommen war. Ich wusste, dass es nicht einfach werden würde. Aber gleich so? Dies hätte ich nie geglaubt. Doch sag niemals NIE. Früher als ich im Berufsleben stand, war es anders. War dies so? Oder habe ich einfach nicht auf meinen Körper und Geist gehört? Adrenalin war in mir zur Genüge vorhanden. Nun habe ich frei bis Donnerstag.
Diesen Rhythmus war für ein halbes Jahr vorgesehen. Nochmals ein halbes Jahr um mich neu kennen zu lernen und auch neu mich zu akzeptieren. Keine leichte Sache. Ich wusste unterdessen, dass ich Glück gehabt habe. Denn es hätte viel schlimmer kommen können. Ich musste einfach mich neu akzeptieren mit der Situation, in der ich stecke, probieren das Beste daraus zu machen.
Ich bin zufrieden mit der Situation. Ich lebe, kann mich selbständig fortbewegen, kann WIEDER sprechen. Ich kann meine Hände gebrauchen, wenn auch eingeschränkt. Die linke Seite spürt die Hitze nicht und auch keine Schmerzen. Links und rechts gleichzeitig dieselben Bewegungen zu vollbringen ist eine echte Herausforderung. Ich kann denken. Ich kann lesen. Alles ist etwas eingeschränkter. Doch ich bin voller Hoffnung. Ich bin voller Zuversicht, dass ich am richtigen Ort bin. Ich bin bereit die Hilfe, die mir angeboten wird, auch anzunehmen.
Ein grosses Thema begann mich zu begleiten. Pause war das grosse Wort. Immer wieder erholen, und zwar nicht mit Handy, Zeitung oder dergleichen. Hinsitzen, durchatmen und sich einfach gehen lassen. Ja es war einfacher gesagt als getan. Auch da wurde mir geholfen. Meine Therapeutinnen fragten mich immer wieder, wie es mir jetzt gehe. Sie sahen meine Bewegungen und Abläufe, hörten es an der Aussprache bzw. meinem Verhalten. Sie entschieden auch, dass ich nur noch 10 Minuten bis zur nächsten Therapie hätte. Diese sollte ich doch gebrauchen, um mich zu erholen, so dass ich dann auch noch etwas Kraft hätte.
Es gab Einzel-Therapiestunden, in denen ich das Verlangen hatte, meine Ängste und Sorgen auszuschütten. Frau Eckert war meine Ergotherapeutin. Sie verstand es, mich richtig anzupacken und wieder runterzuholen. Denn zwischendurch merkte ich nicht – oder wollte ich es nicht wahrhaben, was mit und in mir vor sich ging. Wir kannten uns bereits vom Lindenhofspital. Vorteil oder Nachteil? Definitiv ein Vorteil.
Es gibt immer wieder Tage, da geht es mir besser, zwischendurch gibt es auch Tiefs und ich glaubte, dass alles zusammen zu brechen droht. In Frau Eckert und meinen anderen Betreuerinnen fand ich vertraute Personen. Ich fühlte mich immer wohler, aufgenommener und vertrauter. Der rehapunkt wurde für mich ein kleines Zuhause für zwei Tage. Unter den Kollegen und Kolleginnen entwickelte sich ein gutes und gesundes Miteinander. Austauschen und miteinander spielen und lachen. In diesem halben Jahr, wo ich jetzt mitmachen durfte, lernte ich viel Wichtiges über mich für meine Zukunft.
Auch wenn es eine anstrengende Zeit war. Ja, es sind nicht nur die Therapietage, es kamen noch Arztbesuche, Besprechungen mit dem Soz.-Amt, Büroarbeit, Haushalt und Gartenarbeit etc. dazu. Umso wichtiger ist es, dass ich endlich meine GRENZEN kennenlerne.
Pause, Pause und nochmals Pause. Es ist wichtig, dass ich mir lerne zu sagen: Hey Du da, es gibt auch noch ein Morgen. Es gibt immer wieder Dinge, die unbedingt erledigt werden müssen und dies sofort und der Rest kann/soll warten. Ich muss lernen, die Arbeit und meine Zeit einzuteilen. Pausen sind wichtig. Ansonsten fehlt die Kraft für das nächste Unternehmen. Ich bin so glaube ich im grössten und wichtigsten Lernprozess. Das Leben ist einfach zu kurz, um nur zu arbeiten und für Andere da zu sein. Das habe ich begriffen. Ich mag nicht mehr so wie früher, ist jedoch auch nicht notwendig. Das Leben gehört mir und daran will ich weiterhin Freude haben.
Der Weg ist das Ziel.
Nachdem in mir eine Welt zusammenbrach. IV-seitig wurde mir empfohlen die SRK-Pflegehelfer Ausbildung nicht als Ziel zu sehen. Es sei schwierig dies nach einem Hirnschlag mit Erfolg zu absolvieren. Schauen Sie voraus, es kommen neue Wege. Autofahren; Motorrad und Velo wurden mir nach einem neuropsychologischen Test untersagt. Ist das der neue Weg?
Nein das kann es doch einfach nicht sein!!!!! Es gab nichts anderes, als mich neu zu erfinden.
Gross unter Leute zu gehen, sei es auf Besuch oder in die Stadt. Beinahe unmöglich. Corona sei Dank, Du gibst mir Zeit. In meinem Garten warteten die Erde und die Pflanzen. Ich stürzte mich in die Arbeit als Hausgärtner und Hausmann. Schau an. Es bereitete sehr viel Freude. Der Garten erhielt ein Facelifting Deluxe. Im Sommer und Herbst kam die Ernte, die nicht zu klein ausfiel. Wow. Es macht Spass, einmal etwas ruhiger ohne Druck von oben durchs Leben zu gehen. Unterdessen bin ich Frührentner und dies mit 58 Jahren. Hätte ich mir nicht denken können. Doch ab und zu hat das Leben eben etwas Spezielles vor. Peter Maffay hat gesungen: über sieben Brücken musst du gehen. Sind es mehr, macht es auch nichts. Für mich gilt: Die Sonne kommt täglich und gibt genug Licht, um sich auch im Dunkeln zurecht zu finden.
Danke Rehapunkt-Team. Ohne Euch wäre ich heute nicht so weit.
All die Gespräche, die Sitzung mit Dr. Bihl (HFR), die Geduld mit mir.
Text und Bilder: Christoph Hauser
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